Skip to main content

Bericht über die Kundgebung vom 23. Juni

Es war das sprichwörtliche Wetter, bei dem man nicht mal einen Hund vor die Tür setzt: Über dem Münchner Marienplatz hingen am Dienstag, dem 23. Juni 2009 dunkelgraue, dicke Wolken, aus denen sich  wie seit Tagen schon unaufhörlich ein kalter Regen ergoss.  Nicht gerade ideale Bedingungen  für eine Kundgebung - doch bereits während der Aufbauarbeiten  der mobilen Bühne des Bündnisses „München sozial – wir halten die Stadt zusammen“, direkt unter dem Büro des Oberbürgermeisters, füllte sich der Platz zwischen  Mariensäule und Weinstraße allmählich mit einer  Menge bunter Regenschirme und Transparente.

Zahlreiche Münchnerinnen und Münchner und Angehörige der im Bündnis zusammengeschlossenen Organisationen liefen nach und nach ein, um deren Forderungen nach verstärkten Investitionen in den Sozialbereich Nachdruck zu verleihen. So mancher arglose, aufs beschauliche Glockenspiel eingestellte Tourist mag sich gefühlt haben wie König Macbeth in Shakespeares gleichnamigem Drama, als  sich gegen 12 Uhr  plötzlich  aus Richtung  Löwengrube ein Wald von Transparenten näherte. Es war aber nicht „Birnams Wald“, der da auf sie zukam sondern Birners streikende Erzieherinnen. Viele von ihnen  waren dem Aufruf des ver.di Geschäftsführers und  Bündnispartners gefolgt, um im Verein mit  den anderen Teilnehmern lautstark trillernd und Fahnen schwenkend die Forderungen des Bündnisses zu unterstreichen. Rund zweitausendfünfhundert Menschen standen schließlich dicht an dicht vor der Bühne.  
Heinrich Birner führte als Moderator durch die Veranstaltung und begrüßte die Bündnispartner. Waren es bei der  ersten Pressekonferenz des Bündnisses im April nur rund zwanzig gewesen, so konnte der ver.di Geschäftsführer nun 34 große und kleine Organisationen  unter dem Beifall des Publikums willkommen heißen. Allein diese eindrucksvolle Namensliste zeigte dem aufmerksamen Beobachter, dass mit dem Bündnis eine völlig neue,  partei- und konfessionsübergreifende Allianz entstanden ist. Neben weltlichen, vielen katholischen und evangelischen Organisationen teilt auch die israelitische Kultusgemeinde die Sorge des Bündnisses, dass der soziale Bereich im Kielwasser der wegen der Bankenkrise notwendig gewordenen Rettungspakete zumindest Schlagseite zu bekommen droht.  
Die politische Durchsetzungsfähigkeit dieses  Bündnisses, das auf Initiative des sozialpolitischen Diskurses ins Leben gerufen wurde, mag  im Augenblick noch nicht einzuschätzen sein. Bei kritischen Entscheidungen  werden die politisch Verantwortlichen aber wohl mit diesem Bündnis rechnen müssen, sollte der Zustrom  weiterhin so rasant anhalten wie in den vergangenen Monaten.
Caritas Geschäftsführer Norbert J. Huber machte in seinem Beitrag deutlich, dass es nicht darum gehe, der Kommune in die leeren  Taschen zu greifen, sondern dass vor allem ein von Bund und Ländern auszugehendes  soziales  Konjunkturprogramm zu fordern sei. Nicht zuletzt Bundespolitiker aller Couleur hätten mit kontinuierlichen Derugulierungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren das Klima geschaffen, in dem die Entstehung einer so gigantischen Blase überhaupt erst möglich wurde, welche letztlich dann zum Zusammenbruch der Finanzmärkte geführt habe.
Deutschland sei bei dieser globalen Krise aber nicht etwa nur Opfer, sondern vor allem auch Täter gewesen. „Diese Leute müssen endlich zur Rechenschaft gezogen werden“,  rief Norbert J. Huber in die Menge, die mit Applaus reagierte.
Der Caritas Geschäftsführer und Sprecher des sozialpolitischen Diskurses unterstrich, dass die schnelle und nachhaltige Förderung des sozialen Wohnungsbaus, ein sozialverträglicher Personennahverkehr , die Kostenfreiheit von Kinderbetreuung und die Abschaffung von Studiengebühren ebenso Teil eines sozialen Konjunkturprogrammes sein müsse wie angemessene Gehälter für soziale Arbeit und die Erhöhung des Hartz IV Satzes auf 440 €.
An die Adresse der Stadtspitze richtete Huber den Appell, gemeinsam zu Innenminister und Ministerpräsident zu gehen, um für eine Änderung des Haushaltsrechts zu kämpfen, welches den Kommunen zu wenig Spielraum für die Förderung sozialer Aufgaben lasse. Einer wie auch immer zusammengesetzten zukünftigen Bundesregierung  müsse deutlich gemacht werden, dass einem Lobbyismus der Industriekonzerne und der internationalen Großfinanz und einer weiteren Umverteilung von unten nach oben nicht länger tatenlos zugesehen werde.
Musikalisch aufgelockert wurden die Rednerbeiträge durch die Musik einer Band aus der sozialen Szene Münchens, die bekannte Hits mit sozialkritischen Texten zum Mitsingen versehen hatte.
Markus Schön vom KJR ergänzte die Rede des Caritasgeschäftsführers in seinem Beitrag mit beklemmenden Zahlen aus dem aktuellen Armutsbericht, nach welchen derzeit 180000 Münchner von Armut bedroht sind und vor allem die Kinderarmut erschreckend zunimmt.  Die ungerechte Vermögensverteilung nahm auch Sonja Schmid vom Sozialforum München aufs Korn. Sie rechnete vor, dass sich allein bei einer 5%igen Besteuerung  der 800000 deutschen Millionäre ab einer Million aufwärts immerhin 100 Milliarden Euro flüssig machen  und für soziale Zwecke einsetzen ließen.
Auch durch Einsparungen im Militärhaushalt sei es im Widerspruch zu den gängigen Politikeraussagen möglich, substanzielle Beträge zur Verwendung im Sozialbereich umzuleiten. Ihr Slogan: „Sozialarbeiter statt Eurofighter“ löste bei den  Teilnehmern Beifallsrufe aus.
Ron Williams schließlich gelang es,  mit einem leidenschaftlichen Appell für mehr Menschlichkeit und  bürgerschaftliches Engagement jenseits von Rassen- und Religionszugehörigkeiten einen wahren Begeisterungssturm auszulösen.
Der US stämmige Sänger und Entertainer, der als Armeeangehöriger nach Deutschland gekommen war und in München seine zweite Heimat gefunden hat, ist seit vielen Jahren  sozial sehr engagiert und war spontan bereit das Anliegen des Bündnisses mit seinem Auftritt zu unterstützen.
Der vielseitige Künstler legte soviel Soul und Gefühl in seine Version des Carol King Klassikers „You’ve got a friend“, dass vor allem das weibliche Publikum für ein paar Minuten den Anlass der Veranstaltung völlig vergaß und sich von dem mitreißenden, tiefen Timbre von Rons Stimme verzaubern ließ. Auch der Titel „ It can move you  too“, eine Hommage an die Ikone der amerikanischern Bürgerrechtsbewegung Dr. Martin Luther King und das nach eigenen Worten große Vorbild von Ron Williams,  verfehlte seine Wirkung auf die Zuhörer nicht und brachte fast etwas Sonne und Festivalstimmung in diesen verregneten Junitag. Auch ver.di Chef Birner zeigte sich sichtlich bewegt und bot Ron Williams spontan die Ehrenmitgliedschaft im Bündnis „München sozial“ an.
Für die eingesetzten Polizeibeamten und das Rote Kreuz Team, das vom Bündnispartner BRK für die Veranstaltung zu Verfügung gestellt worden war, gab es vor und nach der Kundgebung nichts zu tun. „Keine besonderen Vorkommnisse, keine Verletzten, keine Schäden „, meinte einer der Beamten nach Abzug der Kundgebungsteilnehmer und fügte in bestem Bayrisch hinzu:
“ . Lauter friedliche Leit - aber die wissen wos wolln. Resschpekt….“